1. Welche Ursachen gibt es für Farbphobie?
"Da ich weder Wissenschaftlerin noch Ärztin bin, kann ich die Frage(n) nur aus meiner Erfahrung als Farbgestalterin, Künstlerin und Traumabetroffene mit guten Psychologiekenntissen beantworten.
Meiner Erfahrung und Ansicht nach hat die Ablehnung oder Angst vor einer bestimmten Farbe oder Farben allgemein mit einer damit verknüpften, möglicherweise unbewussten Prägung zu tun. In meiner Beraterinnentätigkeit gab es immer wieder Menschen, die bestimmte Farben nicht ertragen konnten. Dem mit guten, gestalterischen Argumenten zu begegnet war sinnlos, da das Problem auf einer anderen Ebene lag.
Jede Farbe steht in Verbindungen zu gewissen Themen. Darauf stützt sich die Farbpsychologie. Farben stehen in Beziehung zu unseren Energiezentren. Die Farbe ist also ein Archetyp für ein bestimmtes Themengebiet und umfasst dessen positive wie negative Aspekte. Ungeheilte, möglicherweise unbewusste Verletzungen in diesen Bereichen beeinflussen, wie wir mit einer Farbe können. Also ob wir sie fürchten, ablehnen, lieben, begehren oder ihr neutral gegenübergestellt sind.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass betroffene Menschen SynästhetikerInnen sind und parallel zum Farbreiz andere Hirnareale zum Schwingen kommen und unangenehme Empfindungen auslösen. Oftmals sind sich SynästhetikerInnen ihres Erlebens nur halb bewusst, weil es für sie so normal ist.
2. Wie beeinflusst Farbphobie das tägliche Leben eines Menschen?
Meiner Erfahrung nach, indem sie gemieden wird. Die Konfrontation mit einer Farbe, die wir fürchten, löst derart unangenehme, bisweilen überschwemmende Gefühle aus, dass es meines Erachtens auch sinnvoll ist, sie zu meiden. Die Bearbeitung einer Farbphobie gehört von mir aus in die Hände eines erfahrenen (Trauma-)Therapeuten. Liegt die Ursache aber in der Synästhesie, gibt es keine Heilung, weil hier nichts falsch ist. Synästhesie ist eine normale, wenn auch seltene Spielart der Natur.
3. Welche emotionalen Reaktionen können Menschen haben, wenn sie mit der bestimmten Farbe konfrontiert werden?
Beklemmung, Angstgefühle, Bedrängnis, Aggression, Wut, Zorn, Weinerlichkeit, Fluchtreaktion, Hilflosigkeit, Erstarrung… usw. Dazu kommen auch körperliche Symptome wie Herzklopfen, Schwitzen, Gesichtsfeldverengung, Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen etc.
Ich gehe davon aus, dass die ausgelösten Gefühle mit der Situation verknüpft sind, die diese Prägung kreiert haben.
Liegt der Phobie eine Synästhesie zugrunde, können es verschiedenste Sinnesreize sein, die als unangenehm empfunden werden wie inneres brennen, knirschen, quietschen, bitter schmecken, innerlich kitzeln usw. Auch können gewisse Farbtöne einen scharfen Kopfschmerz verursachen oder Übelkeit auslösen. Je nachdem, wie die Sinne seit Geburt verschaltet sind.
4. Haben die Menschen mit Chromophobie die Phobie von Geburt an?
Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Beruht sie auf einer Prägung, dann nicht. Kommt sie von der Synästhesie, dann schon.
Es ist durchaus denkbar, dass es weitere Möglichkeiten gibt, die ich nicht kenne.
5. Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Wenn jemand darunter leidet, empfehle ich eine körperorientierte Psychotherapie oder eine Traumatherapie. Sollte die Verknüpfung tatsächlich mit einem traumatischen Ereignis (ich denke vor allem an Entwicklungstraumata, aber auch an ein Schocktrauma) zu tun haben, lösen Gespräche oder Verhaltenstherapie das Problem nicht. Allerdings kann durchaus auch kein Leidensdruck vorhanden sein. Betroffene können Copingstrategien entwickelt haben und so gut durchs Leben kommen.
Ist der Grund eine Synästhesie, ist keine Therapie möglich und auch nicht nötig, sondern ein Akzeptieren des Umstandes und ein Weg finden damit. Da könnte eine Begleitung durch einen Therapeuten sinnvoll sein. Meiner Erfahrung nach leiden SynästhetikerInnen aber in der Regel nicht unter ihrem Erleben, da es für sie normal ist.
6. Welche aktuellen Forschungen und Studien gibt es?
Darüber bin ich nicht informiert und habe bewusst vor der Beantwortung der Fragen keine Nachforschungen angestellt.
7. Welche Schritte können unternommen werden, um das Bewusstsein für Farbphobie zu erhöhen und betroffene Personen zu helfen?
Hier meine ganz persönliche Meinung: Das ist ein Nischenthema und betrifft nur wenige Menschen. Natürlich ist es schön und für die Betroffenen hilfreich, wenn dazu ein grösseres Bewusstsein in der Gesellschaft vorhanden ist. Doch es gibt meines Erachtens sehr viel dringendere Themen, wie die Umwelt, die Klimawandel, Krieg… usw., die einer Hinwendung bedürfen.
8. Welche persönlichen Erfahrungen haben sie mit dem Thema Farbphobie gemacht?
Obwohl ich seit 40 Jahren beruflich mit Farben zu tun habe, bin ich selbst davon betroffen. Ich bin Synästhetikerin, und mache Farben lösen derart unangenehme Empfindungen aus, dass ich sie nicht in meiner Nähe haben mag. Farben sind mir grundsätzlich optisch zu laut und reizen mein System zu sehr. Das hingegen hat mit einer traumatischen Prägung zu tun und mit meinem oft übererregten Nervensystem. Ich nehme ebenfalls feinstoffliche Energien wahr und bin auch auf dieser Ebene sehr bald gesättigt von Farbreizen. Meine Art damit umzugehen ist, dass ich mir eine optisch sehr ruhige Wohnung gestaltet habe mit Weisstönen und Holz. Alle beschrifteten Alltagsgegenstände mit bunten Etiketten sind von mir in neutrale Behälter umgefüllt oder die Beschriftung wurde von mir entfernt. Ich kleide mich seit vielen Jahren in schwarz und nachtblau, mit einer Prise Silbergrau und einer homöopathischen Dosis Fuchsia/Lila/Violett. Ich entferne auch an Kleidung jedes Label und trage keine Muster.
Meine Kunst hingegen ist farbig, ich nähre mich dadurch und kann mich wohldosiert mit Farbreizen beschäftigen. Doch in meiner Wohnung gibt es keine bunte Kunst von mir an den Wänden."
Die Interviewfragen wurden von Paula Riedel im Rahmen einer Vertiefungsarbeit formuliert. Der Kontakt wurde durch Therese Hänni von Koloristika hergestellt.
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