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Leeres Konto, leeres Portemonnaie
Da war da dieser Montag im August, nur noch einen guten Franken auf dem Konto und im Sack, einen freien Tag vor mir und die Lust, neue Ohrringe zu tragen. Als Finderin inspirierten mich diese Umstände geradezu, und ich fuhr mit dem Velo ins Eichholz. Was würde sich mir zeigen an Übriggebliebenem und Fortgeworfenem, um daraus Ohrringe zu schaffen?
Ich werkelte den ganzen Tag und der nächste dazu mit meinen Fundstücken. Ich hantierte mit Hammer und Nagel, Schleifpapier, Pinsel und Wachs. Ich ent- und verwarf und entschied mich für das Beste. Ich war happy, fühlte mich selbstermächtigt und unabhängig von Geld, und als Individualistin und Umweltschützerin dazu.
Der reduzierte Kleiderschrank
Doch unser Outfit besteht aus mehr als Ohrschmuck. Seit 2015 habe ich eine fein austarierte Kapsel („Capsule Wardrobe“). Kennst du das Konzept der Kapsel nicht, findest du hier eine gute Erklärung dazu. Es ist mir ein Anliegen, sinnvoll und bewusst mit Kleidung umzugehen. Die Modeindustrie ist ein schmutziges Geschäft, physisch wie energetisch. Die Näherinnen werden schlecht bezahlt und arbeiten zu viel und zu schlechten Bedingungen. Viel zu oft kommen neue Kollektionen auf den Markt und der Kleidermüll liegt unserer Erde schwer auf dem Magen. Eine Filmempfehlung ist „The True Cost“. Auf Youtube gibt es noch viele weitere Dokumentationen zu diesem Thema.
Nun steht wieder der „Secondhand September“ an. Nimm dir einen Moment, um über dieses Thema nachzudenken. Und auch nachzuspüren. Lausche. Und dann bilde dir selbst ein Urteil. Wie fein bist du mit deinem Kleiderschrankinhalt hinsichtlich ethischer Werte? Möglicherweise gibt dir der Second Hand September einen Impuls. Anregungen findest du da.
Wie (gut) geht nachhaltig?
Schon länger versuche ich, mein Handeln diesen Werten anzupassen. Second Hand kaufen und an meinen Körper schneidern ist bei mir seit vielen Jahren gängige Praxis. Einen Schritt weiter gehe ich nun mit dem selber Nähen von Kleidungsstücken. Worte dazu gibt es hier und hier. Erstmals habe ich nun auch ein Top grösstenteils von Hand genäht, was nochmal eine weitere Ebene des Wertes hinzufügt.
Die Kapsel
Als ich den Inhalt meiner ganzjahres Kapsel zählte, kam ich auf 36 Teile. Das ist etwas mehr als die gängige, saisonale Kapsel mit +/- 33 Stücke. Es werden Oberteile, Unterteile, Jacken, Schuhe und Accessoires gezählt. Unterwäsche und Socken, Pyjamas sowie Sportbekleidung werden nicht mitgerechnet.
Mein Kleiderbesitz teilt sich im jetzigen Moment wie folgt auf:
- 16 Teile sind neu gekauft, davon ist die Hälfte bio und fair produziert.
- 8 Teile sind selbstgenäht aus geschenkten Second Hand Stoffen.
- 7 Teile sind Second Hand gekauft und z.T. abgeändert.
- 3 Teile sind am Strassenrand gefunden („zu verschenken“).
- 2 Teile habe ich von jemandem direkt geschenkt bekommen.
Das Diagramm veranschaulicht, dass der kleinere Teil meiner Kleidung neu gekauft ist. Ich finde in mir seit langer Zeit den Wunsch, Kleider zu mir zu nehmen, die ganz „mich“ sind. Ich möchte mich umarmt wissen von Selbstgenähtem und individuell Angepasstem. Ich möchte Kleidung bewohnen und im übertragenen Sinn verwoben sein mir ihr. Solche Stücke erfahren die grösste Wertschätzung von mir, und ich werde sie gerne bis an ihr Lebensende tragen.
Werde ein Fashion Activist
Der Second Hand September ist der richtige Zeitpunkt, um das neue Leben eines Fashion Activist zu starten. Du kannst Bestehendes aufwerten, abändern, optimieren, erweitern, verschmälern, kürzen, verlängern. Kaputtes kann geflickt und mit „visible mending“ aufgewertet werden. Du kannst vorhandene Stoffe neu vernähen, mit oder ohne Färben davor. Du kannst finden, was andere Menschen nicht mehr wollen. Und du kannst tauschen: Am 28. September im Berner Generationenhaus.
Bist auch du dabei?
Alles Liebe, Barbara
Ps: Hier gibt es noch Vertiefendes für Textilnerds zu finden.
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