· 

Das Bildertagebuch - ein Zwischenstand


Lesezeit: ca. 5'

 

Erwachtes Künstlerlen

Seit zweieinhalb Wochen ist mein Bildertagebuch offen. Es ist aufgeweckt und ich mit ihm. Jeden Tag gibt es eine kleine Kunsteinheit, so wie das bei einem Tagebuch üblich ist. Meine Aufgabe ist es, die Balance zu finden zwischen Überlastung und nerdigem Tieftauchen einerseits, und dem Bilderstau andererseits. So nenne ich den Zustand, in dem sich innerlich so viele Farben und Formen in mir versammelt haben, dass ich fast platze. Wenn ich ihnen dann keinen Raum gebe, nehmen sie sich ihn selbst. Kunst machen geschieht dann in den unpassendsten Momenten, weil es schlicht nicht mehr aufschiebbar ist.

 

Es ist für mich deutlich angenehmer, es nicht so weit kommen zu lassen.

 

Kleinformatiges

Und so habe ich die nächsten Seiten meines schwarzen Büchleins in vier Felder unterteilt. Das gibt eine Fläche von ca. 6 x 6 cm. Das ist klein und genau richtig. An jedem Tag eines dieser Felder zu füllen erscheint mir gut möglich. Grösser und mehr geht immer. Die Absicht im Moment ist, kleine Brötchen zu backen, damit zufrieden zu sein und vor allem meine Grenzen zu wahren und mich nicht zu erschöpfen. Die Aufgabe ist schwieriger für mich, als die kreative Tätigkeit an sich.

 

An den ersten Tagen war mir dieses Feld deutlich zu wenig. Ein solches fülle ich in etwa einer Dreiviertelstunde. Doch nach 45’ Kunst machen war ich gerade so richtig im Flow, aufhören schien mir absurd. Also füllte ich noch eine ganze Seite. An den nächsten Tagen dasselbe Spiel.

 

Die ganz dringendsten Farben und Formen haben inzwischen aus mir herausgefunden, und der Druck lässt nach. Inzwischen hat mein System auch begriffen, dass ich Morgen wieder kann. Und übermorgen auch.

 

Selbstfürsorge

Der Kurs bei Sandra ist eine Einladung, gut für sich zu sorgen. Wahrscheinlich ist die Aufgabe der Selbstfürsorge eine, die ich noch mehr üben darf als die der Kreativität. Es fühlt sich für mich an wie ein Training in Bescheidenheit, denn glänzen und brillieren kann ich auf diese kleine Weise mit meinem Kunstschaffen kaum noch. Vielleicht machen diese Worte und die Bilder jemandem Freude, vielleicht bin auch ich es nur, der daran Freude empfindet. Und mir zu sagen, dann ist auch das genug, ist ein stetiges Lernen für mich.

 

Sandra gab uns ein kleines Einlageblatt für unser Bildertagebuch mit. Darauf stehen fünf Begriffe. Jedes Mal, bevor ich mit dem Sticheln und Kleben beginne, lese ich sie durch. Und wenn ich meine Minikunst abgeschlossen habe, noch einmal.

 

Sie lauten:

Präsenz, Offenheit, Akzeptanz, Verbundenheit, Freundlichkeit

 

Ich frage mich:

*Bin ich jetzt gerade da, wo ich bin? Wo sind meine Gedanken? Wo ist meine Aufmerksamkeit? Bewohne ich meinen Körper? Wie atme ich?

*Darf sich zeigen, was sich zeigen will? Zensiere ich, oder lasse ich frei? Bin ich bereit zuzulassen? Heisse ich alles willkommen?

*Lasse ich sein, was da sein will? Nehme ich an, was jetzt gerade ist? Kann ich zeitglich mit der Zeit sein? Morgen ist wieder alles neu.

*Fühle ich mich verbunden mit mir selbst? Wie trete ich in Verbindung mit dem, was aufs Papier fliesst? Ist es meins, zu mir gehörig, oder fühle ich mich getrennt davon?

*Schaue ich freundlich auf mich? Auf mein Tun und meine Möglichkeiten?

 

Der Gedanke, Kunst als meine Medizin zu betrachten, gefällt mir (danke Sandra). Ganz sicher ist sie eine langerprobte Ressource zur Regulation meines ganzen Befindens. Sie erhält nun aber eine weitere Bedeutung für mich: Sie ist das Übungsfeld, um meinen Grenzen zu begreifen. Und das gelingt bis jetzt richtig gut.

  

Alles Liebe, Barbara


Kommentar schreiben

Kommentare: 0