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Das Bildertagebuch und seine Folgen - Tag 1


Lesezeit: ca. 4'

Der Kurs

Sandra von der Künstlerei Köniz bietet einen wunderbaren Kurs an: Das Bildertagebuch. Was ein Tagebuch ist, weisst du. Und nun stellst du dir eines mit Bildern vor. Mit deinen Bildern, entsprungen aus deinem durch die Natur zentrierten Innern.

 

Vor kurzem fand Tag eins von vier statt, und was ich von dieser Reise mitgenommen habe, erfährst du hier.

 

Unsere kleine Frauengruppe startet gleich mit einem Spaziergang in den nahegelegenen Wald. Sandra sucht mit jeder von uns einzeln das Gespräch, um zu erfahren wo wir im Moment stehen. Zwischen den Bäumen angekommen, nehmen wir mit einer angeleiteten Körperübung erst Kontakt mit uns als Ganzes auf.

 
Waldbaden

Dann folgt ein achtsamer, stiller Spaziergang durch den Wald. Was nehmen meine Füsse wahr? Fühle ich die kühle Luft auf meiner Haut? Und die warmen Sonnenfleckchen auf meiner Wange? Was kann ich riechen? Weisstanne und Harz. Und schmecken? Rinde kauen… Auf was fällt mein Blick, was lädt mich ein, genauer hinzusehen? Zwei Tannen kreuzen ihre Stämme, und der Gedanke dazu löst Trauer aus: Ein Mensch kreuzt meinen Weg und verlässt ihn auch gleich wieder.

 

Was darf wachsen?
Am sonnigen Waldrand angekommen, lege ich mich hin und lausche den Fragen, die Sandra uns zum Nachspüren mit ruhiger Stimme stellt. Hängen bleibt bei mir, wie der Boden nun im Frühling vorbereitet werden muss, dass etwas (neues) in meinem Leben wachsen und gedeihen kann. Wir erhalten darauf ein schmuckes Papiertütchen ausgehändigt mit der Einladung, etwas Erde abzufüllen.


Farben finden

Zurück im Atelier dürfen wir uns an die künstlerische Umsetzung machen. Zu was lädt mich diese mitgebrachte Erde ein? Verreiben, aufstreichen, zerkrümeln, mit Wasser vermischen, kleben, vermengen mit…? Bei mir öffnet sich sogleich ein Törchen, und ich knüpfe nahtlos an mein Projekt "waldtrunken!" aus dem Jahr 2022 an. Ich streiche, klebe, färbe, nähe und male in der guten Stunde, die wir Zeit haben, was das Zeug hält. Hochfokussiert, im Flow, ungebändigt, nicht aufzuhalten.
Das Törchen wird zum Tor, und spült nebst Farben und Formen auch noch einige Gefühle an die Oberfläche. Ich spüre klar und deutlich, die Gewichtung in meinem Leben muss sich dringend verändern. Beinahe jeden Tag einen Arzt- oder Therapietermin kann kein Lebensinhalt sein. Oder noch direkter ausgedrückt: Ich weigere mich, dies als mein Lebensinhalt zu akzeptieren.

Mein Liebstes

Ich kann nicht ohne mein Kunstschaffen sein. Ich werde grau und traurig, freudlos und deprimiert. Es ist mir, als würde alle Freude aus meinem Leben weichen und meine Stunden aufgefressen und weggemampft werden von Pflichten und To-Do's.

Um mich zu entlasten, entschied ich mich gegen Ende des letzten Jahres, auf das Kunstschaffen als Profession zu verzichten. Ich schaffte nicht mehr alles, all die Therapien und dann auch noch was Gescheites zu künstlerlen. Diese Entscheidung traf ich wohlüberlegt, nachdem ich drei Jahre lang versucht hatte, meine Projekte meinen Möglichkeiten anzupassen. Es war immer noch zu viel.

 

Nun stehe ich vor der Aufgabe, meinen Bedürfnissen noch besser zu lauschen und an den Grautönen zu feilen.

 

Vielleicht ist ein Bildertagebuch genau genug?


Genügsam werden - Bescheidenheit lernen

Was macht das mit mir? Diese Zurückstufung? Kunst nicht mehr als Beruf ausüben zu können, sondern nur noch als kleine Insel zwischen kochen, essen, schlafen und abwaschen (ja, in dieser Reihenfolge). Wie betrübt stimmt mich das, nichts "Richtiges" mehr zu fertigen, das sich auch verkaufen lässt? Dass ich meine Investitionen nicht mehr zurückerhalte? Bin ich gewillt, diese von meinem Existenzminimum abzuzweigen, oder reut mich das? Das Geld wird an einem anderen Ort fehlen. In meinem Budget ist kein Betrag für ein Hobby vorgesehen.

 

Was macht das mit meinem Selbstverständnis? Mit meiner Identifikation als Künstlerin? Wer bin ich, wenn ich nicht mehr Kunstschaffende bin? Kunst als mein Hobby zu bezeichnen würde mich beleidigen. Wer ein Hobby ausübt, hat üblicherweise in diesem Bereich keine professionelle Ausbildung gemacht. Ein Hobby ist jene Tätigkeit, die ich nebst meinem Beruf als Ausgleich ausübe. Oder wie siehst du das?

Was ist denn jetzt mein Beruf? Und wie erkenne ich ihn?


* Ist es das, was ich gelernt und abgeschlossen habe? Würde das stimmen, wäre mein Beruf Malerin, Farbgestalterin HF, Farb- und Modestilberaterin und Künstlerin.

 * Oder ist es das, was die meisten meiner Alltagsstunden füllt? Das wäre dann Hausfrau und Patientin.

 * Oder eher das, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene? Mir meinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, ist nicht mehr möglich.

 * Oder vielleicht das, zu welchem ich mich berufen fühle? Dieser Punkt würde erfüllt mit Impulsgeberin.

 

Die Japaner meinen, man kann seinem IKIGAI durchaus als Hobby nachgehen. Doch wenn ich nun ein Bildertagebuch als die kleinstmögliche Einheit meines künstlerischen Ausdrucks definiere, wie kommen die Impulse in die Welt, wenn das Büchlein geschlossen bleiben würde und niemandem zugänglich wäre?


Der Gedanke einer Seelenaufgabe

Dass ich mir diese Fragen überhaupt stelle zeigt, wie sehr die Idee einer Berufung oder Seelenaufgabe, auch Seelenplan genannt, mit mir verwoben ist. Für mich gehört es zum "Pflichtenheft" des Menschseins, sich seiner Talente und Gaben zu erinnern, sie freizulegen und zu verfeinern. Meine Fähigkeiten auszuleben beschenkt mich mit Freude und die Gemeinschaft mit dem Besten, was ich zu geben habe. Meiner Ansicht nach wird die Welt damit zu einem besseren Ort.

 

Wir haben ein Talent für eine bestimmte Sache, und die Seele zeigt uns über die Freude, wo’s langgeht. Weil es in der Natur des Menschen liegt, angenehme Gefühle zu suchen (und unangenehme vermeiden), werden wird diese Tätigkeit, die uns Freude macht, immer wieder tun. So entsteht aus dem anfänglichen Talent mehr und mehr Profession und Berufung.

 

Doch zurück zum Bildertagebuch.

 

Neu denken

Offensichtlich fordert mich das Leben auf, noch mehr "out oft he box" zu denken: Könnte es reichen, wenn die Impulse energetischer Art wären? Möglicherweise. Mein Kunstschaffen verändert mein Gefühl für mich und die Welt. Mein kreatives Wirken lässt mich die beste Version meiner Selbst sein, weil ich dadurch schlicht glücklicher durchs Leben gehe. Dieser lichtvollere Gemütszustand wirkt auf andere Menschen. Auch wenn mein farbiges Büchlein nicht einsehbar ist, sollte ich keine Gelegenheit mehr dazu schaffen.


Das Fazit

Die Schlussfolgerung dieser Überlegungen wäre somit, dass mein Kunstschaffen nicht mehr der Impuls selbst ist, der die Menschen berühren und anstossen darf, sondern meine grössere Lebensfreude und die daraus folgenden Worte und Handlungen. Diese Vorstellung gefällt mir nun ganz gut. Und weisst du warum? Sie ist viel direkter und benötigt kein Medium mehr. Davon kann ich als Minimalistin nur angetan sein.

 

Mein Dank gilt Sandra und der Künstlerei, die mir dieses Erlebnis und die daraus resultierende neue Sicht ermöglicht hat. Willst du dir auch "den Staub von der Seele malen", wie sie es so schön nennt, dann schaue da. Es finden noch mehr Kurse statt - wie wunderbar. 

 

Alles Liebe!

Barbara


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