Durch eine Statusmeldung auf Whats App wurde ich auf die Naturachtsamkeitswoche von der Psychologische Akademie für Naturtherapie PAN aufmerksam. Und natürlich wollte ich dabei sein. Ich nutze solche Möglichkeiten gerne, da ich es liebe zu forschen, zu erkunden und zu erleben, was da so ist. Meine Erfahrungen möchte ich gerne hier mit dir teilen und dich einladen, eigene zu machen.
Die Absicht der Naturachtsamkeitswoche ist, sich während fünft Tagen je 30 Minuten in der Natur aufzuhalten und deine Wahrnehmung ganz auf einen Sinn zu lenken und diesen zu erkunden.
Montag: Sehen
Ich sehe das Licht und wie es das moosgrün Pflanzenfell an den Ästen leuchten lässt. Ich sehe, wie die Sonne ein sanftes Schimmern über all die noch recht kahle, frühlingshafte Natur fliessen lässt. So viele Blütenknospen drücken bereits heraus. Tannenbaumförmig aufbauend, strebend sie zum Licht. Ich spüre die ihnen innewohnende Kraft, sich auszudehnen und zu entfalten.
Ich sehe all die Farben, diese hellen Grüns und Blütenrosas, Blätterrots und Krokussenlilas. Sonnenlicht ergiesst sich in all die pflanzliche Unordnung, weckt sie auf und lässt sie sanft in ihre neue Ordnung finden.
Ich sehe den Regenbogen im Gegenlicht, dort an den Kanten der Äste und Knospen. Genau dort, wo das Licht zu Materie wird. Langsam sein und schauen. Langsam sein und im Körper ankommen. Auf der Welt ankommen. Sinneswahrnehmung heisst Verkörperung. Achtsamkeit bringt mich in den Moment.
Dienstag: Hören
30 Minuten hören? Nicht für mich. Dieser Sinn ist der anstrengendste für mich. Ich setze ich ans Aareufer neben dem Schönausteg. Dort, wo am Nachmittag die Sonne so schön die Steine aufwärmt. Die leicht geneigte Felsplatte ist der ideale Sitz, ich nehme Platz und lausche. Nach einer Weile lege ich mir mein Papier und den Fineliner auf meine angezogenen Knie und beginne zu zeichnen, was ich höre. Jedes Geräusch malt zeitglich auf meiner inneren Leinwand ein Zeichen, eine Linie oder eine Form. Das Zeichnen versüsst mir das Hören, so kann ich Freude daran erleben. Doch ich bin eindeutig kein "Ohrenmensch", keine äussere Lauscherin. Am liebsten habe ich es still um mich herum und hören den feinen inneren Impulsen zu. Bereits nach etwa 17 Minuten habe ich genug und beende diese Übung. Ich schau mich lieber noch etwas nach Schwemmhölzern um…
Mittwoch: Spüren
Nebst dem Sehen ist das mein liebster Sinn. Oberflächen, Strukturen, Konsistenzen und Beschaffenheiten zu erspüren, kann mich masslos faszinieren. Und es erfüllt mich mit so einer besonderen Befriedigung, dass ich manchmal fast nicht davon ablassen kann. Heute stand ein Aarebad an. Der erste Eindruck jetzt im Winter ist verständlicherweise die kalte Temperatur des Wassers. Doch bald gewöhnt sich der Köper daran und ich kann das Streicheln auf der Haut durch das fliessende Wasser spüren. Die Aare fliesst nicht gleichmässig, sondern "flattert" und wirbelt ein wenig. Diese Bewegung führt zu einem feinen Streicheln der Haut. Beim Aussteigen landen meine Fusssohlen auf glibberigen Algen. Ich überwinde meinen ersten Widerstand ("wäh") und lasse mich darauf ein, die feine und glitschige Oberfläche zu erspüren. Da kam mir die Aussage von einer anderen Teilnehmerin der Achtsamkeitswoche während unseres vormittäglichen Spaziergangs in den Sinn: "Die Natur als Liebhaberin". Mir gefiel dieser Satz sehr, weil er so treffend ausdrückt, welch sinnliche und lustvolle Vergnügen die Natur für uns bereithält, wenn wir uns darauf einlassen mögen.
Wieder angezogen bleibt ein angenehmes Prickeln auf der Haut. Weiterforschend greife ich nach einem trockenen Blatt und nehme es als "grübelet" wahr. Es ist rau und ich kann die Blattfasern wie Fingerprints ertasten. Dann das kleine Schwemmhölzli: Sanft und fein auf der Längsseite, stachelig und piksig am Ende. Die glatt geschliffene Oberfläche wirkt samtiglieb. Es verführt mich, mir damit über den Hals zu streichen, über die Lippen und das Philtrum. Es kommt mir vor wie eine zarte Liebkosung, die ich gerne entgegennehme. Ich frage mich, zu was lädt mich dieses Hölzchen noch ein? und ich klemme es hinter die Ohren. Es fühlt sich gleich viel grösser an. Einen Moment lang belasse ich es dort um nachzuspüren, danach entlasse ich es wieder in die Natur. Mein letzter Griff gilt einem ausgehungerten, dürren Blattgerippe: Es wirkt trocken und stachelig, ungeschmeidig, ja geradezu widerspenstig in meiner Hand und springt elastisch immer wieder in seine ursprüngliche Form zurück. Irgendwie mag ich es, dieses störrische Stück Natur, mir gefällt sein Eigenwille. Ich gebe es bald wieder frei, denn es wirkt auf mich so, als ob es sich nicht gerne würde drücken lassen von mir.
Donnerstag: Riechen
Dieser Sinn liebe ich. Es öffnen sich mir Welten, wenn ich Düfte und Gerüche erschnuppere. Manche Düfte sind mir viel zu stark, konventionell Duschmittel oder Waschpulver stimmen mich gerade zu aggressiv, weil sie auf mich wie ein olfaktorischen Gewaltangriff wirkt.
Doch nun schnuppere ich an Primelblüten. Und ich nehme tatsächlich ein sanfter Blütenduft wahr, und das obwohl meine Nase durch meine letzte Erkältung noch beeinträchtigt ist. Dann atme ich den zauberhaften Duft von Flechten ein. Diese warme Fülle giesst mein Inneres mit Zuneigung aus. Dieser Geruch hat für mich etwas hanfig-süsses, er fühlt sich nach Liebe und Wärme an. Möglicherweise ist dieses Wohlgefühl einer unbewussten inneren Verknüpfung geschuldet; wir waren in meiner Kindheit als Familie öfter im Wald. Jetzt halte ich meine Nase an einen grossen Stein und atme tief ein. Da muss ich meine Wahrnehmung sehr fokussieren, um einen leicht mineralischen Geruch auszumachen. Als Höhepunkt dieser Sinnesreise erfahre ich den Moment, als die Katze der Nachbarin an meiner Nase schnuppert und ich an ihrer. Was für eine süsse, zarte und neugierige Art der Kontaktaufnahme!
An Dingen aus der Natur zu riechen ist mir vertraut. Ich habe dich hier in der Reihe über Herbstblätter bereits auf eine geruchliche Reise mitgenommen. Etwas mit der Nase zu erfahren rundet meine Wahrnehmung erst ab und gibt mir ein Gefühl für eine Sache oder einen Menschen.
Freitag: Schmecken
Und hier bin ich raus. Sofort spüre ich ein Unbehagen bei dem Gedanken, mir ungeprüftes Grün aus der Natur in den Mund zu schieben. Ich kenne mich mit Wildpflanzen nicht aus, das verunsichert mich. Dazu kommt, dass für mich aufgrund meiner Unverträglichkeiten sehr viel Essbares nicht bekommt. Diese leidvollen Erfahrungen, wenn wieder mal was in meinem Körper gelandet ist, dass er nicht haben will, haben mich geprägt und ich bringe es nicht über mich, die Übung zu machen.
Das ist ok für mich, ich begegne meinem Widerwillen mit Mitgefühl. Achtsam essen kann ich auch mein übliches Mittagessen.
Mir bewusst zu machen, wer und was beteiligt waren, dass ich jetzt etwas essen kann und genährt werde, erfüllt mich als erstes mit Dankbarkeit. Dass die Natur uns ihre Gaben überlässt, hält uns am Leben. Der Happen darf dann in den Mund, und ich erfahre ihn mit der Zunge und der Schleimhaut der Wange. Meine Kartoffel fühlt sich leicht mehlig an, mit glatteren Stellen dazwischen, etwas körnig schier oder bröselig? Ich stelle fest, mein Vokabular ist zu begrenzt, um meine Sinneseindrücke genau wiederzugeben. Dann beissen – endlich beissen! Mir wird wieder klar, wie gern ich fest zubeisse. Die Kartoffel zerfällt in meinem Mund und gibt mir allerdings nicht viel Widerstand. Die Zunge mag sie auch etwas an den Gaumen drücken und ich höre innerlich "mit Essen spielt man nicht!" und muss schmunzeln.
Der Kartoffelbrei geht durch das Tor des Gaumens und ich kann sein Hinuntergleiten erstaunlich gut spüren. Er rutsch leicht durch die Speiseröhre und kommt sachte in meinem Magen an.
Interessant ist für mich auch zu erkennen, dass achtsam Essen die unangenehmste Aufgabe ist für mich. Achtsames Hören war schlich anstrengend, doch achtsames Essen weckt Widerstände. Zu sehr ist essen verknüpft mit schmerzhaften Prägungen. Esse ich achtsam, langsam und bin gegenwärtig im Moment, bin ich in Kontakt mit meinem Körper. Dieser Umstand führt dazu, dass einige schwierige Gefühle freigegeben werden können.
Fazit
Naturachtsamkeit verlangsamt mich, bringt mich in den Körper und somit in den jetzigen Moment. Sie verändert meine innere Prioritätenliste und mir ist nun auch klar, warum diese Übungswoche den Untertitel "Wege zum Wesentlichen" hat. Mein Empfinden für die Zeit wird verändert: Ich bin gedanklich weder hinter noch vor mir, sondern genau da, wo ich bin. Es ist dann immer jetzt.
Alles Liebe, Barbara
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Maja (Mittwoch, 28 Februar 2024 23:04)
❤️��
Danke Barbara! �