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Herbstfarben: die Eiche - bot. Quercus


Die Serie über Herbstfarben beginnt hier mit der Pappel und geht da weiter mit der Linde und kommt hier zur Kastanie.

 

Der Name der Eiche geht auf das germanische "Aik" zurück, mit dem nebst dem Baum auch ein Schiff aus Eichenholz bezeichnet wurde.

 

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Ein herbstlicher WalkTalk der Aare entlang führte Manuela und mich und zu dem uralten Eichenbaum im Gaswerk-Areal. Er steht dort als Solitär, seine knorrigen Äste entfalten sich tastend in alle Richtungen wie die knochigen Arme einer alten Ballerina. Seine Erscheinung ist imposant, und die Kontaktaufnahme mit ihm zeigte ein langsames Gemüt und eine gewisse Reserviertheit. Doch nach einer Weile "liess er mich herein", und ich konnte die Beständigkeit, die mittelwarme Freundlichkeit und die Ruhe in seiner Ausstrahlung wahrnehmen.

 

Allgemeines

Die Existenz von Eichenbäumen konnte bereits vor 12 Millionen Jahre nachgewiesen werden. Erstaunlicherweise gehört die Eiche zu der Pflanzenfamilie der Buchengewächse und ist verwandt mit der Kastanie und der Buche. Es ist der zweithäufigste sommergrüne Laubbaum in der Schweiz, auf Platz eins steht die Buche. Die Eiche wirft im Herbst ihr cognacfarbenes Laub spät oder gar nie ganz ab. Viele Blätter bleiben bis im Frühling stehen und werden dann vom neuen Laub verdrängt. Eichen wachsen langsam, können unfassbare 1000 Jahre alt werden und bis zu 40 Meter hoch. Sie brauchen satte 60 Jahre, bis sie zum ersten Mal blühen. Die Eiche gilt als standfester Baum und mach sehr tiefe Pfahlwurzeln bis in die Nähe des Grundwassers. Bei uns sind zwei Sorten präsent: die Stieleiche und die Traubeneiche. Um welche Eiche es sich bei dem hier porträtierten Baum handelt, konnte ich nicht herausfinden. Ich vermute aber eine Stieleiche, weil diese feuchten Boden bevorzugt und sie nur wenige Meter vom Aareufer entfernt steht.

 

Das dichtfaserige Hartholz weist viel Gerbstoffe auf. Als Malerin habe ich vor 38 Jahren gelernt, dass Eichenfensterbänke, wie sie in Altbauten montiert wurden, nach dem Ablaugen und dem Nachwaschen mit Salmiakgeistwasser wieder mit Oxalsäure aufgehellt werden müssen. Die alkalische Lösung färbte das Eichenholz wegen der Gerbsäure nämlich schwarz. Diese hat übrigens die Funktion, durch ihre antibakterielle Wirkung Schädlinge fernzuhalten. Eichenholz wird beispielsweise bei Wein- und Cognacfässer eingesetzt und findet Verwendung in Eisenbahnschienen. Die Korkeiche spendet uns mit ihrer Rinde ein weiteres Material.

 

Die Früchte der Eiche, die Eicheln stecken in Fruchtbechern (die ich heute erstmals entdeckt habe). Die Eicheln wurden früher in der Schweinemast verwendet. Sie sind auch für uns Menschen geniessbar. Vorausgesetzt, sie werden vor dem Verzehr geschält, zerkleinert und durch Wässern von ihren Gerbstoffen befreit. Alle Teile des Eichenbaumes sind leicht giftig. Reife Eicheln fallen aus dem Käppchen und reifen von der hellgrünen zu einer mittelbraunen Farbe mit feinen Längslinien heran. Liegen sie länger auf dem Boden, werden sie schwarz.

Fast alle Teile der Eiche werden zudem zu Heilzwecken verwendet. Ein Beispiel hierfür ist die Bachblüte Nr. 22: "Oak (Eiche) hilft bei übertriebenem Einsatz und Eifer. Wenn man sich in Arbeit verzehrt, auch wenn der Erfolg nicht eintritt."

 

Feinstoffliches

Die Eiche steht für die Grenze und den Krieg, weshalb sie wie die Linde als Gerichtsbaum genutzt wurde. Sie verkörpert die Ewigkeit und war in alten Religionen ein heiliger Baum. Im Christentum wurde sie mit der heiligen Maria in Verbindung gebracht. Ihre Eigenschaften sind Standfestigkeit, Stärke und Beständigkeit. Auch Ehrlichkeit, Treue und Kontinuität werden dem Eichenbaum zugeordnet, ebenfalls Männlichkeit. Eichenmenschen haben gemäss dem keltischen Baumhoroskop unter anderen die Eigenschaften Mut und Konfliktfähigkeit bei gleichzeitiger Friedfertigkeit. Man sagt ihnen nach, dass sie vor Lebenskraft nur so strotzen.

 

Auch in der Heraldik (Wappenkunde) hat die Eiche und ihre Früchte einen festen und wichtigen Platz.

 

Duftiges

Eichenlaub riecht würzig-heuig. Auch hier kann ich etwas Sellerie- oder Maggikrautähnliches ausmachen. Die Blätter duften stark danach. Die Eicheln hingegen verströmen kein Geruch. Beim Färben mit Eichenlaub roch es jedenfalls streng in meiner Küche. Das liess sich nur bei offenem Fenster aushalten.

 

Eiche, insbesondere das weisslich grünliche Eichenmoos ist ein bekannter und beliebter Duftstoff in der Parfumherstellung. Parfumo führt 477 Düfte mit dem Bestandteil "Eiche". Doch unglaubliche 6'311 Parfums enthalten Eichenmoos. Diese Strauchflechte wächst auf der Eiche. Das natürliche Eichenmoos darf wegen seiner allergenen Wirkung nur noch sehr beschränkt eingesetzt werden und wurde mehr und mehr durch eine synthetische Variante ersetzt. Davon betroffen war nebst zahlreichen anderen Parfums auch der legendäre Duft Marilyn Monroes, "Chanel No 5" von Chanel. Eichenmoos gehört zum Grundakkord Bergamotte-Labdanum-Eichenmoos der Chypredüfte. Diese haben eine Kopfnote aus Hesperidien (Zitrusfrüchte), eine blumige Herznote aus Rosen oder Jasmin und eine holzig-moosige Basisnote. Somit ist Eichenmoos ein sehr wichtiger Baustein in der Parfumherstellung, daher dieser kleine Einblick in die wichtige Bedeutung dieses Eichenbaumbewohners.

 

Eichenholz hingegen bereichert 269 Parfums. Dazu gehören "Vert des Bois" (unisex) und "Vert Bohème" (Damen) von Tom Ford, beide aus dem Jahr 2016. Letzteres beinhaltet zusätzlich Eichenmoos, wie auch 22 weitere erfasste Duftkreationen. Das Parfum mit der weitreichendsten Sillage (olfaktorische Strahlkraft) ist "Ore" von Slumberhouse aus dem Jahre 2009. Im Ranking mit 8.2 von 10 Punkten belohnt, überzeugt es mit dem eichenlaubfarbenen Inhalt in einem ästhetisch-schlichten Flacon. Das Holz wurde hier mit gourmandisen Noten kombiniert und könnte möglicherweise eine Testung wert sein.

 

Farbiges

Die graubraune Rinde und weitere Teile der Eiche finden als Textilfarbe Verwendung. Pflanzenfarben ergeben generell meiste eine warmtonige Ausbeute. Doch ein mit Eichelfarbe gefärbtes Textil, welches in Rostwasser getunkt wird, ergibt fantastisch differenzierte Grautöne, wie ich im Projekt "Hasenzahn und Güldenkraut" entdeckte. Das Rostwasser muss einige Tage lang angesetzt werden, die aktuellen Ergebnisse siehst du unten. 

 

Das Braun der reifen Eicheln würde ich als Haselnuss- oder Zimtbraun bezeichnen. Es hat was von Farbkults "Argile", doch ich konnte in keiner meiner gängigen Farbkarten diese Nuance rezeptiert entdecken. Es gleicht der braunen Erde von Otrano von Kremer Pigmente. Die Eichenblätter glühen im Gegenlicht fantastisch cognacbraunorange wie spanischer Ocker und Ziegelmehl. Der Farbton ist zum Hinknien schön und unten in der Bildergalerie siehst du meine Einfangversuche.

 

Alles Liebe, Barbara

  

...und hier kommt die nächste Augenweide mit der Korkspindel.


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Kommentare: 1
  • #1

    Sandra (Sonntag, 09 Oktober 2022 17:50)

    So reichhaltig Barbara, deine Beiträge zu den Herbstfarben! Ich bin beeindruckt von deinem Wissen und der Schönheit der Fotos!