Ihr Herz war gebrochen. Gab es das überhaupt, ein gebrochenes Herz? Fühlte es sich nicht viel mehr an wie geschlagen? Eine innere, stumpfe Verletzung. Gehauen, gebeutelt und verbeult. Eine wehe Seele.
Die Sonne schien flach in das Zimmer, die Staubkörner tanzten im goldenen Lichtkegel und die Helligkeit liess ihr Haar honigfarben schimmern. Ihre trockenen und wirren Kringel hatte sie zu Zöpfen geflochten. Das war nötig, um sie zu bändigen und so eine Ordnung auf ihrem Kopf herzustellen.
Eine Ordnung, die sie in ihrem Innern schmerzlich vermisste. Wirre Haare, die wirr wie ihre Gedanken aus dem Kopf wuchsen und ihr Gesicht umschwirrten konnte sie im Moment nicht brauchen. Ihr Blick schweifte etwas ziellos durchs Zimmer und blieb an der dunkelroten Rose hängen, die vergessen auf dem Fensterbrett stand.
Der Mann war fort, doch die Blume von ihm verweilte tapfer und ausdauernd in der irdischen Welt. Aus und vorbei. Die Rose liess das bittersüsse Gefühl in Martine zurück, wenigstens einmal geliebt worden zu sein. Sie bedachte sie mit einem sorgfältigen Blick. Das dunkle Rot tendierte in der Phase des Vergehens zu einem Rouge Noir, Martines Lieblingsnagellackfarbe. Sie dachte daran, dass ihre Nägel Selbstfürsorge und einen neuen Anstrich nötig hätten. Ihre Augen wanderten weiter, nun unterhalb des Blütenkopfes dem mattgrünen Stängel entlang. Gelblich verfärbte Blätter hafteten nur noch leicht an, andere lagen bereits auf dem Sims. Sie sollte dringend das trübe Wasser auswechseln. Irgendwie roch es schon komisch im Zimmer. Nun blieben ihr Augen an einer kleinen Ausbuchtung mit fedriger Spitze hängen. Da keimte etwas. Da wagte sich etwas vor. Knospige Sprosse, hellgrün-knackig und zart zugleich.
Martine griff sich die halbtrockene Rose und sah sie von nahem an. Ganz dicht hatte sie sie vor Augen. Die rote Blüte hatte ihre Farbe im Sterben verdichtet zu einem dunklen, trockenen Ton. Doch unweit davon zeigte sich die Lebenskraft des Roten in einer neuen Form. Frisches Leben strebte mutig dem Licht entgegen. Mit offenen Sinnen stieg ihr jetzt auch der verhaltene Rosenduft in die Nase. Sie schnupperte. Erst zaghaft und vorsichtig, dann mutig und interessiert forschend. Sie mochte, was sie wahrnahm. Tief einatmend strömte der Wohlgeruch sanft durch ihre Nasenlöcher tief in ihr Inneres und bahnte sich geradewegs einen Pfad in ihr Herz. Sie spürte die Einladung zur Heilung und liess sich an der Seele berühren.
Das Rote und das Grüne. Lebenswille gepaart mit Herzensenergie. Mut für den Neubeginn. Loslassen und einlassen. Das Herz gefüllt mit Rosenduft, stieg eine pralle Dankbarkeitsblase an die Oberfläche des Bewusstseins. Wie schon so oft war die Natur Martines grösste Lehrerin. Sie würde entschlossen alleine ans Meer fahren und beherzt einen Neubeginn wagen.
Alles Liebe, Barbara
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